...bearbeiten
Was nicht passt, wird passend gemacht – Das gilt nicht nur im Baugewerbe. Wenn man Kompositionen für andere Besetzungen umschreibt, für andere Instrumente arrangiert, etwas schwerer oder leichter macht, dann greift man in die musikalische Substanz der Werke ein. Das kann rein pragmatische Gründe haben oder auch Ausdruck eigener künstlerischer Ideen sein.
Erste Erfahrungen
Meine ersten Erfahrungen mit Bearbeitungen sammelte ich im Akkordeontrio, im Akkordeonorchester sowie im Schulchor und -orchester. Wir wollten Stücke aufführen, von denen wir keine passenden Noten hatten. Regelmäßig zu bearbeiten begann ich, als ich Liedermeister des Männergesangvereines Langenbernsdorf e. V. wurde und wir anfingen, Konzerte mit Schülerensembles zu veranstalten. In dieser frühen Zeit lernte ich viel darüber, wie sich verschiedene Parameter im Klang auswirken, da ich auch die Gelegenheit hatte auszuprobieren und nachzubessern. Solche Parameter waren z. B. die Tonart, die Art der Begleitung, die Balance zwischen Sing- und Instrumentalstimmen, die Stimmführung im Chorsatz oder die (textbezogene) unterschiedliche Behandlung verschiedener Strophen. Meine zunehmende Praxiserfahrung in den Bereichen Chor- und Orchesterdirigieren kam mir dabei zusätzlich zugute, denn dadurch lernte ich die Spezifika verschiedener Instrumente und Chöre kennen.
Professionalisierung: Klavierauszug und Continuo-Aussetzung
Im Zuge meiner Arbeit als Editor bin ich auch als Bearbeiter gefragt, denn zwei Dinge waren plötzlich notwendig geworden: Klavierauszüge und Basso-continuo-Aussetzungen.
Unter einem Klavierauszug versteht man die Zusammenfassung der Orchesterstimmen eines Werkes zu einer Klavierstimme, die bspw. ein Chorleiter bei der Einstudierung seines Chores spielen kann. So lassen sich Rhythmen, Melodieverläufe, harmonische Wendungen und prägnante Einsätze bereits in den Chorproben darstellen, bevor später das Orchester hinzu kommt. Als Bearbeiter muss man einerseits wissen, was am Klavier wie spielbar ist – nicht alles aus einer Orchesterpartitur kann man auf das Klavier übertragen! – und wie man mit der Fülle an originalen Stimmen umgeht; man kann nicht alles in den Klavierauszug hinein nehmen und muss ständig die Entscheidung treffen, was man weglässt oder was man wie verändert, damit es nicht nur spielbar ist, sondern noch nah an der Vorlage bleibt. Da sich potentielle Aufführende ein großes Werk oft mithilfe des Klavierauszuges aneignen, steht dieser aus verlegerischer Sicht natürlich besonders im Fokus. Als Editor kenne ich die von mir herausgegebenen Werke sehr gut, immerhin habe ich sie Note für Note abgeschrieben. Alle Klavierauszüge für die von mir herausgegeben Werke der Luigi Cherubini Werkausgabe schreibe ich daher selbst – ein Novum im Editorenteam.
Hier ein Beispiel: Links zwei Partiturseiten und rechte das gleiche Werk im Klavierauszug.
In der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts war es üblich, dass auf dem Gerüst der Bassstimme eine oder mehrere Stimmen improvisiert bzw. Chorstimmen zur Unterstützung mitgespielt wurden. Diese Bassstimme nennt man Generalbass oder Basso continuo, in italienischen Quellen auch Fondamento. Sie kann am Cembalo, an der Orgel oder mit Zupfinstrumenten wie Laute oder Theorbe gespielt werden. Da es sich um eine Musizierpraxis handelt, die im 19. Jahrhundert einmal fast verloren gegangen ist und seit Mitte des 20. Jahrhunderts wieder systematisch erforscht und angewendet wird, gibt es heutzutage einige Musiker, v. a. im Laien- und semiprofessionellen Bereich, die diese Improvisationspraxis nicht beherrschen. Auch für diese Musiker wollen Verlage jedoch Noten anbieten: Die Continuo-Aussetzung für Tasteninstrumente. Der Bearbeiter notiert eine spielbare Variante, wie sie zum Rest der Stimmen in der Partitur passt. Während meiner Zeit als Cembalist im Kammerorchester „Ensemble Amadeus“ konnte ich auch auf diesem Gebiet einige Erfahrungen sammeln. Da Luigi Cherubini im 18. und sogar Anfang des 19. Jahrhunderts noch einige Werke mit Generalbass komponiert hat, schreibe ich daher auch die Continuo-Aussetzungen für die von mir herausgegeben Werke der Luigi Cherubini Werkausgabe selbst.