Luigi Cherubini

Vor meinem Studium hatte ich den Namen Luigi Cherubini noch nie gehört. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis mir bewusst wurde, welch herausragende Musikerpersönlichkeit dieser Mann einst war und was für großartige Musik er geschrieben hat. Doch so Vieles von und über ihn ist sowohl der Fachwelt als auch dem Konzertpublikum unbekannt. Mein Interesse an diesem Komponisten und die Tatsache, dass ich als Student von Prof. Dr. Helen Geyer Schüler der führenden Cherubini-Forscherin wurde, führten dazu, dass ich mich seit 2013 schwerpunktmäßig Cherubini widme. Gerade arbeite ich an meiner Doktorarbeit Luigi Cherubinis geistliche Kompositionen. Eine Untersuchung im Spannungsfeld zwischen Tradition, Revolution und Restauration unter besonderer Berücksichtigung seiner Motetten, Kantaten und Instrumentalmusik.

Luigi Cherubini (1760–1842):

Ein heute völlig zu Unrecht wenig bekannter Komponist

Luigi Cherubini wurde 1760 in Florenz geboren. Während er heranwuchs, regierte in der Toskana der habsburgische Großherzog Pietro Leopoldo (1747–1792), der 1790 als Leopold II. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches wurde. Dieser förderte das junge Musiktalent mit einem Stipendium. Bereits 1773 komponierte Cherubini seine erste Messe, der neben einigen Motetten noch weitere folgten. Im Alter von 19 Jahren brachte er seine erste Oper auf die Bühne. Da war er bereits zwei Jahre Schüler von Giuseppe Sarti, der gerade Domkapellmeister in Mailand geworden war und kurz darauf zum Hofkapellmeister von Zarin Katharina der Großen (1729–1796) in St. Petersburg berufen wurde. Nach weiteren Opernerfolgen in Italien, einer zweijährigen Anstellung in London und einer kurzen Rückkehr in sein Heimatland ließ sich Cherubini kurz vor der Französischen Revolution in Paris nieder, das für den Rest seines Lebens – immerhin mehr als 50 Jahre – sein Zuhause wurde. Italien hat er nie wieder betreten.

Schnell wurde Cherubini als Komponist von erfolgreichen Opern wie Lodoïska (1791), Eliza (1794), Médée (1797) oder Les deux journées (1800) europaweit bekannt. Während eines Wien-Aufenthaltes lernte Cherubini u. a. Joseph Haydn (1732–1809) und Ludwig van Beethoven (1770–1827) kennen. Er nannte gar Haydn seinen Vater, komponierte nach dem Gerücht von dessen Tod 1805 eine große Trauermusik (Chant sur la mort de Joseph Haydn, dt. Gesang auf den Tod Joseph Haydns) und bewarb sich beim Fürsten Esterházy um seine Nachfolge als Kapellmeister in Eisenstadt. Die Verhandlungen über diese Stelle scheiterten jedoch.

Als die Welt nach 1789 und den fundamentalen Umbrüchen im Zuge der Französischen Revolution durch die Restauration 1815 erneut auf den Kopf gestellt wurde – die neuen / alten Machthaber sahen es natürlich so, dass sie die Welt vom Kopf endlich wieder zurück auf die Füße stellen würden –, profitierte Cherubini in hohem Maße: Er wurde 1815 Professor (und später sogar Direktor) am Pariser Konservatorium sowie Surintendant de la Musique du Roi, also quasi Hofkapellmeister von Ludwig XVIII. (1755–1824), dem Bruder des 1793 hingerichteten Ludwig XVI. (1754–1793). Im Alter von Mitte 50, das viele andere Zeitgenossen gar nicht erst erreichten, begann für Cherubini die eigentliche Blüte seines Lebens. Der Komponist starb im hohen Alter von 81 Jahren; er war vier Jahre jünger als Mozart und überlebte ihn um 51 Jahre!

Cherubini wurde von den Meistern des Barocks ausgebildet, durchlebte die sog. Klassik und wirkte noch einige Zeit in der sog. Romantik, galt den Zeitgenossen sogar als der geistige Vater Richard Wagners (1813–1883). An Cherubini wird deutlich, dass diese schubladenartige Epocheneinteilung keinen Wert hat und nicht einmal annähernd imstande ist, das Wesen dieses großartigen Komponisten zu beschreiben, der zu seinen Lebzeiten zu den angesehensten Musikerpersönlichkeiten der Welt gehörte. Ohne Cherubini wäre Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) kein Komponist geworden und sogar der von sich selbst sonst über alle Maßen überzeugte Ludwig van Beethoven verehrte Cherubini als den besten lebenden Komponisten so sehr, dass er sich dessen Requiem Nr. 1 in c-Moll für seine eigene Trauerfeier wünschte.

Nicht zuletzt durch die Wirren des Zweiten Weltkrieges war über Jahrzehnte ein großer Teil der Werke Cherubinis verschollen. Dadurch verblasste sein Ruhm soweit, dass es bis heute ein Don Quijote gleicher Kampf gegen die Windmühlen des Mainstreams ist, ihm wieder den Platz in der Musikgeschichte sowie auf den Konzertprogrammen der Orchester, Theater und Kirchen dieser Welt zu verschaffen, den er verdient. Seit dem Jahr 2004 gibt es die Internationale Cherubini-Gesellschaft e. V. mit Sitz in Berlin, die von ihr herausgegebene Jahreszeitschrift Cherubiniana und die wissenschaftlich-kritische Luigi Cherubini Werkausgabe. Des Weiteren ist die Schriftenreihe Cherubini Studies entstanden, in der die neuesten Forschungsergebnisse publiziert werden. Auch CD-Aufnahmen und Konzerte finden unter Mitwirkung der Gesellschaft und ihrer Mitglieder statt, um neben der Fachwelt die Musikliebhaber (wieder) mit Cherubinis Musik vertraut zu machen.

Noch immer gibt es etliche Werke Luigi Cherubinis zu entdecken, v. a. geistliche Musik aus der Pariser Zeit. Es ist Musik, die Cherubini in Diensten des Französischen Hofes für die besten Musiker seiner Zeit schrieb und die neben ihrer liturgischen Funktion im Gottesdienst natürlich auch als Repräsentationsmusik der Chapelle Royale (Königliche Kapelle) der Weltmacht Frankreich zu dienen hatte. Cherubinis Kirchenmusik erklang u. a. in der Kapelle von Schloss Versailles, in der Kathedrale von Saint Denis oder in der Kathedrale von Reims; v. a. seine Messen und besonders das Requiem Nr. 1 in c-Moll verbreiteten sich rasch weltweit. Mit seiner Musik wurden Könige gekrönt und zu Grabe getragen.