Männerchor? – Alles andere als verstaubt!
Am 28. und 29. September hatte der Gesangverein zu Langenbernsdorf e. V. zu einem Männerchor-Projekt geladen. Die Idee entsprang zum einen dem spontanen Männerchor-Massensingen zum letzten Herbstsingen und zum anderen der eigenen Verpflichtung gegenüber unserer Gesangvereinstradition. Wir wollten mit Sängern aus anderen Chören gemeinsam traditionelles Liedgut auffrischen, das im Grunde jeder Männerchor in seinem Repertoire hat: „Klassiker der Männerchorliteratur“ lautete somit das Motto.
Auf die Euphorie im eigenen Chor folgte lange Zeit Ernüchterung. Während sich aus unserem Verein fast alle noch singenden Mitglieder des zum Jahreswechsel durch den gemischten Chor abgelösten ehemaligen Männerchores angemeldet hatten, warteten wir trotz mehrfacher Werbung vergeblich auf Resonanz von außen. Nach zahlreichen Telefonaten wurde klar: In anderen Chören führten zu großen Teilen Bequemlichkeit, mangelndes Selbstvertrauen und leider auch Ignoranz gegenüber der Notwendigkeit zur Kooperation dazu, dass sich niemand fand, der mitwirken wollte. Erst kurz vor Anmeldeschluss erreichten uns dann doch sechs weitere Zusagen: Neben einem bisher nicht in unserem Verein singenden Langenbernsdorfer und einem Crimmitschauer avisierten vier Sänger des Chores des Handwerks Gera ihre Teilnahme. So konnte das Projekt mit 20 Teilnehmern durchgeführt werden.
Auch in den eigenen Reihen sorgte die Repertoireauswahl für Skepsis. Seit Jahren wirbt unser Verein mit einem breiten Programm quer durch alle Genres für einen modernen Chorgesang. Lieder wie Ännchen von Tharau oder Der Lindenbaum gehörten stets zu unserem Kernrepertoire – aber eben nicht ausschließlich. Nun standen genau solche Lieder im Mittelpunkt. „Diese alten Schinken will doch keiner mehr hören“, schallte es uns entgegen. „Abwarten“, sagte ich. Denn diese Lieder werden nicht ohne Grund seit fast zwei Jahrhunderten landauf, landab gesungen. Das Problem, weswegen man diese Stücke vielerorts nicht mehr hören kann, sind leider die durchwachsene Qualität und eine durch mangelnden interpretatorischen Einfallsreichtum bewirkte Langeweile, mit der man den traditionellen deutschen Männerchorgesang oft zu hören bekommt.
In den drei Proben am Samstagvormittag, Samstagmittag und Sonntagvormittag wurde schnell klar, dass proben nicht gleich proben ist. Freuten sich die Langenbernsdorfer Sänger über den eingelegten Schongang zum warm werden, war den anderen Sängern bereits sehr früh anzusehen, dass sie reichlich gefordert sind. „Was du in einer Probe machst, machen wir sonst in fünf Wochen“, war anschließend zu hören. „Es ist anstrengend, aber es ist eine schöne Anstrengung. Wir kommen schnell zu hörbaren Ergebnissen und das motiviert.“ Diese Motivation war deutlich spürbar. Die alten Lieder bekamen neuen Glanz und plötzlich klang der ganze Chor – trotz deutlicher Langenbernsdorfer Dominanz – ganz anders als wir es gewöhnt waren.
Das Männerchor-Projekt endete schließlich mit einem Auftritt zu unserem traditionellen Sängertreffen, dem „Herbstsingen“. Gespannt warteten nicht nur die Mitwirkenden, sondern auch die vielen Gäste auf die Ergebnisse der zwei Probentage. Noch etwas verunsichert traten die Herren auf die Bühne und sahen in die Gesichter der 180 Gäste im Saal. Die meisten der Sänger haben in ihrem Leben weit mehr als 100 Auftritte gesungen, doch nun gab es Lampenfieber. Bereits während Ännchen von Tharau und Der Lindenbaum wurde es ruhig im Saal; niemand traute sich mehr mit der Kuchenkabel oder dem Kaffeelöffel zu klappern, auch geflüstert wurde nicht mehr. Spätestens bei In einem kühlen Grunde dachte man, der Saal wäre leer, so ruhig war es. Nach dem Schlussakkord brach nicht nur jubelnder Beifall aus, sondern sogar zahlreiches Fußgetrappel ertönte. Mit der Trinklehre und In einem kühlen Grunde ging der Auftritt zu Ende. Bereits als ich vom Dirigierpodest heruntertrat, beglückwünschten mich die Ersten und meinten – teils wirklich ergriffen –, dass das das Schönste gewesen sei, was sie seit Langem gehört hätten.
Wieder einmal gab uns der Erfolg Recht. Mit unseren Projekten, so unerwartet sie anfangs scheinen mögen, treffen wir ins Schwarze. Ich glaube, wir haben dem deutschen Männerchorgesang mit diesem Projekt einen großen Dienst erwiesen. Wir haben gezeigt, dass diese Lieder zeitlos schön sind und dass sie den Sängern dennoch einiges abverlangen; auch wenn man sie schon 100 Mal gesungen hat, gibt es immer etwas Neues in ihnen zu entdecken. Der Beschluss einer zweiten Auflage im Jahr 2020 war somit nur noch Formsache. Wir machen weiter und werden nicht müde, in Langenbernsdorf Tradition und Innovation miteinander in Einklang zu bringen: Der Männerchorgesang lebt! Guter Chorgesang ist nichts, was nur professionellen Chören vorbehalten ist. Mit Freude, Motivation und frischen Interpretationen kann das jeder!