Eindrücke vom XII. Auerbacher Sommerkurs Orchesterdirigieren
Bereits zum zwölften Mal fand vom 26. bis 29. August 2018 der Auerbacher Sommerkurs Orchesterdirigieren statt. Im Folgenden möchte ich einen Artikel paraphrasieren, den ich bereits nach dem letzten Kurs im Jahr 2016 verfasst habe. Da sich die vielen positiven Momente und Gegebenheiten grundsätzlich wiederholt haben, finde ich das legitim.
Die Kooperation der St. Laurentius-Kirchgemeinde Auerbach und der Vogtland Philharmonie hat zum Ziel, vorrangig Kantoren und nebenberufliche Dirigenten, die nur sehr selten mit einem Orchester arbeiten (können), weiterzubilden. Die Kursleitung liegt von Anfang an in den Händen von GMD Stefan Fraas, der sich mit seinem bestechend präzisen Gespür für die Fähigkeiten und Defizite seiner Seminaristen sofort auf diese einstellen kann. In diesem Jahr kamen elf Teilnehmer (zwei passiv) nach Auerbach.
Mit zwei Seminaren à drei Stunden begann der Kurs. Jeder hatte dabei mehrere verschiedenartige Teile der Kursliteratur vorzudirigieren, was alle Teilnehmer dank der hervorragend spielenden und feinfühlig auf das Dirigat reagierenden Korrepetitoren Sarah Stamboltsyan und Andreas Ebert vom ersten Augenblick an forderte. Mit prägnanten Anmerkungen wie: „Wenn zwei Pianisten bei Ihrem Dirigat schon nicht zusammenspielen, wie soll es dann das Orchester schaffen? Ändern Sie etwas an Ihrem Schlag und schon wird es funktionieren!“, oder: „Wenn die Musiker nicht einsetzen, müssen ganz alleine Sie sich fragen, was Sie falsch gemacht haben, und dürfen nicht die Schuld beim Orchester suchen“, verlangte Fraas stets die sofortige Selbstreflexion der Dirigenten: „Es geht ja nicht, dass die spielen und Sie dirigieren hübsch dazu. Das sieht zwar gut aus, nützt aber keinem etwas.“ Was im ersten Moment hart klang, half den Kursteilnehmern ungemein viel. Es brauchte oft nicht vieler Worte und man dirigierte ganz anders. Das ist immerhin auch die Situation, wenn man vor dem Orchester steht: klare Ansagen, keine verklausulierten Reden schwingen. Auch das muss in der Arbeit mit einem Profiorchester trainiert werden; noch dazu, wenn man im Alltag Dirigent eines Laienensembles ist, dem man immer alles bis ins Detail erklären muss.
Die ständige Aufforderung: „Dirigieren Sie nicht, was Sie hören, sondern dirigieren Sie, was Sie hören wollen!“, wurde zum Leitsatz des Kurses und machte bald jedem klar, dass man nicht nach Auerbach gekommen war, um zu lernen, wie man Musik verwaltet, dass es schon irgendwie geht. Im Gegenteil: Fraas ermutigte jeden Kursteilnehmer, seinen Fähigkeiten entsprechend vom Orchester seine Interpretation der Werke spielen zu lassen – vorausgesetzt man hatte eine. Wer das Orchester forderte, hörte sofort das Ergebnis. Den Musikerinnen und Musikern der Vogtland Philharmonie gebührt ein großer Dank für die Bereitwilligkeit, sich auf das Dirigat der neun aktiven Teilnehmer eingelassen zu haben, von denen schließlich keiner ein professioneller Dirigent ist. Gerade dass man sich später als zu langsame oder zu schnelle Tempi herausstellende Passagen oder dutzendfache Wiederholungen ein und derselben Stelle immer wieder engagiert spielte sowie unzählige nicht gegebene Einsätze stillschweigend hingenommen hat, machte den großen Gewinn dieses Kurses aus. Dass man darüber hinaus in den Pausen Kursteilnehmer und Orchestermusiker in anregende Gespräche vertieft beobachten konnte, zeigt zusätzlich, dass auch die Damen und Herren des Orchesters gern bereit waren, den Dirigenten eigene Hinweise zu geben und diese für die Besonderheiten ihrer Instrumentengruppe zu sensibilisieren.
Mit Maurice Ravels Le tombeau de Couperin, John Rutters Gloria in der Frühfassung für Chor, Orgel, Bläser und Schlagwerk sowie Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 2 in D-Dur op. 36 standen wahrlich sehr unterschiedliche Werke auf dem Programm. Doch auch das gleiche Werk kam einem manchmal ganz und gar nicht gleich vor: neun Dirigenten, neun verschiedene Klangbilder. Die Kursteilnehmer lernten in den vier Seminaren und vier Orchesterproben nicht nur durch eigenes Versuchen, sondern gleichermaßen durch das Beobachten der anderen. Dies spornte einige dazu an, einmal zu probieren, wie verschiedene Dirigiertechniken der anderen bei sich selbst funktionieren. Durch die knappe, aber stets sehr genaue Auswertung Fraas‘, durch eigene Erfahrungen und durch mutiges Ausprobieren entstand in den acht Kurseinheiten an nur dreieinhalb Tagen ein musikalisches Ergebnis, das sich durchaus sehen und hören lassen konnte. Ausnahmslos jeder Teilnehmer verbesserte sich stetig und so stellte sich bald nicht mehr die Frage, wer im Abschlusskonzert dirigieren darf, sondern nur noch wer was dirigiert. Das zeigt das große Vertrauen des Kursleiters in seine Seminaristen, vor allem aber die Güte seiner Arbeit. Das Abschlusskonzertes in der St. Laurentiuskirche wurde mit herzlichem Beifall bedacht. An der Orgel saß der Organisator des Kurses KMD Ulrich Meier, der zudem den Auerbacher Kammerchor für Rutters Gloria einstudierte.
„Haben Sie Demut vor der Musik, die Sie dirigieren. Nehmen Sie sich zurück, wo Sie nicht gebraucht werden, und greifen Sie dort ein, wo es erforderlich ist.“ – Mit diesen großen Worten verabschiedete GMD Stefan Fraas die jungen und jung gebliebenen Dirigentinnen und Dirigenten. Es bleibt zu hoffen, dass nun jeder Kursteilnehmer mit einem Kopf voller Ideen und Anregungen zurück in seine (kirchen-) musikalische Arbeit geht und noch lange von seinen Eindrücken in Auerbach zehren kann. Vier Tage ersetzen nicht die Erfahrungen, die man im dirigentischen Alltag sammeln muss, doch die erworbenen und erweiterten Fähigkeiten helfen, den oft seltenen Aufgaben chorsinfonischer Dirigate selbstbewusster, aber auch selbstkritischer, auf jeden Fall jedoch durchdachter als zuvor zu begegnen.